Dokumentarfilm Der Jungfrauenwahn

Im Rahmen der internationalen Kampagne ZONTA SAYS NO zeigte der ZC Frankfurt II Rhein-Main den Dokumentarfilm "Der Jungfrauenwahn". Der mit dem bayrischen Fernsehpreis ausgezeichnete Film der Autorin und Regisseurin Güner Yasemin Balci thematisiert das Verhältnis muslimischer Gesellschaften zur Sexualität. In einfühlsamen Interviews mit der Anwältin Seyran Ates, der Femen-Aktivistin Zana Ramadani, der Studentin Arife Yalniz und dem Psychologen Ahmad Mansour entsteht ein bedrückendes Bild von den familiären und gesellschaftlichen Konsequenzen, wenn der Wunsch junger muslimischer Frauen (und Männer) nach einer selbstbestimmten Sexualität mit den traditionellen Moralvorstellungen der Herkunftsfamilien in Konflikt gerät. Insbes. die Weigerung, sich dem Gebot der vorehelichen Jungfräulichkeit zu unterwerfen, kann für Musliminnen lebensbedrohlich sein.

Gesprächsteilnehmerinnen an der anschließenden Podiumsdiskussion waren: Andrea Ufer, Produzentin des Films; Lydia Weyerhäuser, Psychotherapeutin vom FeM Mädchenhaus in Frankfurt, das von Gewalt bedrohten Mädchen und jungen Frauen Zuflucht und Beratung anbietet; und Prof. Dr. Susanne Schröter, Direktorin des Instituts für Ethnologie an der Goethe-Universität und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (Moderation: Prof. Dr. Marlis Hellinger).

Andrea Ufer berichtete, dass fast alle Protagonistinnen des Films immer wieder Morddrohungen erhalten, einige bis heute Personenschutz haben und dass aus Sorge um die Sicherheit mancher Interviewpartner diese gar nicht im Film gezeigt wurden. Auch im FeM Mädchenhaus ist der Jungfrauenwahn ein brennendes Thema, wie Lydia Weyerhäuser bestätigte: Das Sprechen über Sexualität ist in vielen Einwandererfamilien tabuisiert, die patriarchalen Geschlechterverhältnisse werden nicht hinterfragt. Prof. Susanne Schröter bezeichnete die sexuelle Unterdrückung von Frauen als Hauptproblem des Islam. Konservative Geschlechterbilder seien keine Frage der Bildung, sondern sind in allen Schichten präsent, so auch in den Interviews mit männlichen Studenten im Film. Aufklärungsarbeit muss insbes. in Kindergärten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen erfolgen, muslimische Jungen brauchen mehr männliche Vorbilder, an denen sie sich orientieren können.
Abschließend wies Andrea Ufer darauf hin, dass der Film von der Bundeszentrale für politische Bildung für den Unterricht angeboten wird und würdigte dies als wichtigen Beitrag zur Aufklärung.

 

Nach dem Film wurde bei Brezeln und Wein noch intensiv weiterdiskutiert. Am Ende konnten wir uns zudem über ein ansehnliches finanzielles Plus freuen: Dem FeM Mädchenhaus werden wir eine Spende in Höhe von 5.000 EUR überweisen.
Marlis Hellinger