Der zac-Preis 2016 geht an Benedikte Bjerre
Zehn Jahre sind es schon her, dass unser ZONTA-Mitglied Jutta Heun ein Kunstteam aus unserem Club um sich scharte und den zac – zonta art contemporary ins Leben rief. Mit diesem mit 2.400 Euro dotierten Förderpreis, der alle zwei Jahre verliehen wird, wollen wir junge Künstlerinnen aus dem Rhein-Main-Gebiet unterstützen. Das Preisgeld wird monatlich in Höhe von 200 Euro für die Dauer eines Jahres ausgezahlt.
Am 19. März 2016 hatten wir nun gleich zweimal Gelegenheit zum Feiern: das 10-jährige Jubiläum und die fünfte Verleihung des „zac“ – dieses Mal im MAK Museum Angewandte Kunst Frankfurt am Main. Dr. Eva Linhart, dortige Kuratorin Buchkunst & Grafik, stellte in ihrer Begrüßung das Konzept des Museum vor als Wahrnehmungort für gesellschaftliche Strömungen und Entwicklungen, mit einem Schwerpunkt auf Design, Mode und Performatives. In wechselnden thematischen Ausstellungen werden kulturelle Werte und die sich ändernden Lebensverhältnisse dargestellt. Neue Präsentationsformen ermöglichen anstelle von rein traditionellen Sammlungskriterien so zeit- und unzeitgemäße Betrachtungen.
Nach dem Votum der vorschlagenden Jury* ernannte
die auswählende Jury** die 1987 in Kopenhagen
geborene Benedikte Bjerre zur Preisträgerin 2016.
Begründung: Die Arbeiten der Künstlerin haben einen starken Gegenwartsbezug, ihre Reflektionen des Alltags spiegeln aktuelle gesellschaftliche Phänomene. Es gelingt ihr, sehr unterschiedliche, humorvolle und überzeugende Kompositionen zu gestalten. Ihre Ausdrucksformen weisen eine große Bandbreite auf,
die von Fotos, über Skulpturen aus unterschiedlichen
gesuchten oder gefundenen alltäglichen Gegenständen bis hin zu raumgreifenden, ortsbezogenen Installationen reicht. Die Jury ist einstimmig der Meinung, dass in Benedikte Bjerres Arbeiten ein großes künstlerisches Potential sichtbar wird, das trotz des Alters der Künstlerin bereits eine große Reife aufweist.
In ihrer Laudatio würdigte Jutta Heun die künstlerische Arbeit der Preisträgerin, die allesamt stark mit der Gegenwart verbunden sind; viele davon basieren auf ihrer Faszination für bestimmte soziologische Phänomene. In einem Gespräch mit der Künstlerin werden exemplarisch zwei Arbeiten vorgestellt:
Einmal „Hot Products“ (2015), in der sich Benedikte Bjerre mit dem Thema „Ladendiebstahls-Spiegel“ auseinander setzt. Dann die Skulptur „Prime“ (2015), in welcher sie das Bestellen bei Amazon als eine Art des Konsums ohne soziale Kontakte verarbeitet. Durch das 30-tägige Rückgaberecht hat die Künstlerin so die Möglichkeit, eine Skulptur zu bauen, das bestellte Material innerhalb der Frist wieder zurückzuschicken und an einem anderen Ort mit neu bestelltem Material erneut zu fertigen. Das Material kommt jeweils wieder zurück in den Kreislauf von Amazon und kann von anderen Personen weiter verwendet werden… (s. untenstehenden Text der Laudatio).
Hot Products (2015), styrofoam, Dunlop tennis ball, steel with epoxy/polyester powder coating, original Gourmet Lollipop, lollipop tree display, plastilin, plastic strips, cord, energy light bulb, elastic bungee, 101x60x189 cm (Bildquelle: Benedikte Bjerre) |
Prime (2015), Amazon Prime packaging, Frogtape, Whitmor shopping cart, FedEx envelope, plaster, Blue avocado product bag, Meyer lemons, plasterboard, Rubbermaid water cooler, water, cone cups, Keeble laundry bag, Nite Ize gear tie, styrofoam parrot, popcorn, dried green beans, size variable (Bildquelle: Benedikte Bjerre) |
Bei aller Freude über unsere neue Preisträgerin sind wir doch auch betrübt, denn Jutta Heun, die Initiatorin des Kunstpreises, verlässt noch in diesem Frühjahr ihr „Kunsthaus am Lohrberg“ und zieht mit ihrem Mann ins spanische Malaga. Unsere Präsidentin Heike Strelow-Meister bedauerte ihren Weggang außerordentlich und dankte ihr im Namen aller Mitglieder für ihr großes Engagement in all den Jahren. Jutta Heun war Gründungsmitglied unseres Clubs, von 2002-2004 unsere Präsidentin und hat – nicht zuletzt – mit dem Kunstpreis zac unseren Club über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht und inzwischen auch andere ZONTA-Clubs angeregt, einen Kunstpreis ins Leben zu rufen. Liebe Jutta, wir werden Dich vermissen! Mach’s gut! Wir freuen uns auf ein Wiedersehen.
Benedikte Bjerre mit Jutta Heun | Das Kunstteam: Bettina v. Bethmann, Jutta Heun, Brigitte Maurer (v.l.n.r.) |
Bevor wir uns nach der Veranstaltung zu einem Sektempfang in die Galerie Maurer auf den Weg machten, führte uns Kuratorin Eva Linhart noch durch die aktuelle Ausstellung des MAK „ZeitRaum“, in welcher der amerikanische Illustrator Richard McGuire in einer immer gleichen Wohnzimmerecke zeitliche Einschübe in die jeweilige Gegenwart setzt und innerhalb des jeweiligen Bildes Tafeln mit Bruchstücken der Vergangenheit einbaut und so wie im Zeitraffer ganze Menschenleben einblendet.
* Vorschlagende Jury:
Jutta Heun, Malerin, Zeichnerin, Initiatorin des zac-Kunstpreises
Heiner Blum, Professor für Experimentelle Raumkonzepte an der Hochschule für Gestaltung, Offenbach
Peter Gorschlüter, Kunstwissenschaftler und Medientheoretiker, stellvertretender Direktor am Museum für Moderne Kunst, Frankfurt
** Auswählende Jury:
Stefanie Böttcher, Kuratorin und Leiterin der Kunsthalle Mainz
Silke Schuster-Müller, Leiterin des Gesellschaftlichen Engagements der DekaBank und Kuratorin der Kunstsammlung
Brigitte Maurer, Galeristin und Mitglied des Kunstteams Zonta Club Frankfurt II Rhein-Main
Ruth M. Nitz
ZC Frankfurt II Rhein-Main
Jutta Heun
Laudatio zur Preisvergabe des zac – zonta art contemporary 2016 am 19.3.2016 an Benedikte Bjerre
Benedikte Bjerre ist eine Beobachterin. Sie nimmt begierig alle Eindrücke ihrer Umwelt auf, um sie in ihr Werk zu integrieren. Um in einem Bild zu sprechen, möchte ich sagen: „In ihr steckt ein Staubsauger für Wahrnehmungen.“
Geschult wurde dieser Blick durch ihre Studien der Soziologie in Dänemark und der Kunst in Frankfurt und Kopenhagen. Über die Fotographie kam sie, beeinflusst von Peter Fischli, zur Bildhauerei. Sie bezeichnet diese Begegnung als Glück, haben Peter Fischli und David Weiss doch selbst einzigartige, nachhaltige Kunstwerke geschaffen.
Benedikte Bjerre sagt, sie sei eine Bildhauerin. Nun stellt man sich landläufig eine Bildhauerin schwer arbeitend mit Holz, Metall oder Stein vor, bei Benedikte Bjerre sehen wir erneut, dass der Rahmen dieser alten Vorstellungen längst gesprengt wurde.
Adorno mahnte noch vor der „ Verfransung der Kunst“, er konnte nicht ahnen dass die Grenzen zwischen den Kunstgattungen nicht nur fließend, sondern seit 1975 fast gar nicht mehr vorhanden sind. Es setzte eine Individualisierung des Kunstmarktes ein, die bis heute anhält. Avantgarden wird es nicht mehr geben, und Künstlerinnen haben längst eine eigene Geschichte und müssen mit ihren aktuellen Arbeiten nicht mehr Bezüge zu männlichen Kollegen suchen.
Beim ersten Blick auf die künstlerische Arbeit von Benedikte Bjerre zog ich Parallelen zu Jessica Stockholder. Doch bei näherer Betrachtung wird der physische Bezug der Materialen von Benedikte Bjerre so stark zum Ausdruck gebracht, dass ich bemerkte, wie sehr die Arbeiten mit der Gegenwart verbunden sind. Stockholder bezeichnet sich selbst als Malerin; sie malt mit gefundenen Gegenständen Räume aus, schafft Rauminstallationen und Objekte. Benedikte Bjerre arbeitet mit Versuch und Irrtum, mit Vorhandenem und Gefundenem, an ihren Arbeiten ist nichts transparent, wie etwa in einem Aquarell.
Sie arbeitet mit Beobachtung,
mit einem Raum,
einem Ort,
einem Rahmen,
einem Material.
Viele Arbeiten beginnen mit einer Faszination für bestimmte soziologische Ereignisse. Die Arbeit „Hot Products“ von 2015 begann mit der Faszination für Ladendiebstahls-Spiegel. Frau Bjerre beobachtete, dass diese in Deutschland mehr als anderswo vorhanden sind. Sie werden aufgehängt, um die Vermeidung des Stehlens zu legitimieren. Man blickt in den Spiegel, während man an einer Kasse wartet. Einige Monate später sah sie in Kalifornien überdimensionale Lutscher. Sie erschienen ihr seltsam, da sie eine Größe hatten, die nicht für Kinder geeignet waren.
Einige Zeit nachdem sie begann, über historischen Ladendiebstahl zu lesen, brachte ihr ein Freund Booster-Taschen mit, die von der Polizei konfisziert wurden.
Viel später wurde sie gebeten, an einer Ausstellung in Wien teilzunehmen, und der Raum dort erschien ihr für das Arbeiten mit Lutscher und Spiegel geeignet. Alle Eindrücke haben sich noch verändert, die Arbeit wurde dann in einem Studio fertiggestellt.
Jutta Heun: „Frau Bjerre, könnten Sie uns etwas über die Entstehung Ihrer Arbeit „Prime“ von 2015 sagen?“
Benedikte Bjerre: „Die Arbeit entstand während meines Aufenthalts in der Villa Aurora in Los Angeles. Da ich so viel unterwegs war, kam ich auf die Idee, das Material für ein Kunstwerk bei Amazon zu bestellen. Das Bestellen bei Amazon ist überall kostenlos verfügbar und kann weltweit genutzt werden. Die Arbeit weist direkt hin auf eine Art des Konsums ohne soziale Kontakte. Es wird produziert von Maschinen, ausgesucht und verpackt von Maschinen und bald wird es von Drohnen geliefert. Die bestellten Dinge stellen eine De-Humanisierung der Welt der Objekte dar. Das steht im Gegensatz zur Kunst, sie wirkt traditionell als Bindeglied zwischen der Welt der Objekte und der Welt der Menschen. In verschiedenen Ländern kann die Skulptur mit anderem, dort spezifischem, bestelltem Material neu entstehen. Amazon bietet eine kostenlose Rücknahme innerhalb von 30 Tagen an. Während dieser Zeit kann die Arbeit zugänglich sein und international kostenlos installiert werden. Das Material ist nun zurück im Kreislauf von Amazon und kann von anderen Leuten genutzt werden.“
J.H.: „Ich kenne einige Bilder Ihrer neuen Arbeiten von 2016. Für mich sind die großen Schwarzkirschen sehr interessant. Sie erinnern mich an meine Kindheit, wie ich mit Kirschen an den Ohren auf dem Fahrrad unterwegs war. Sie glänzen so schön, wie frisch geputzt, so lackiert. Sind Ihre Kindheitserinnerungen auch darin verpackt?“
B.B.: „Es gibt tatsächlich ein Ereignis aus der Kinderzeit – mit kleinen Plastikkirschen in einem Supermarkt. Sie lagen auf dem Boden, wie Abfall, und ich nahm welche mit. Erst später erfuhr ich, dass sie zum Verkauf dort waren.“
J.H.: „Was geschieht, wenn eine Arbeit uninteressant ist?“
B.B.: „ Manchmal funktioniert es überhaupt nicht. Es dauert, bis eine Arbeit entsteht, und ich suche so lange, bis es für mich stimmt.“
Benedikte Bjerre ist also auch eine Formensucherin. Wenn eine Arbeit uninteressant, unstimmig ist, sucht sie über längere Zeit nach dem richtigen Ausdruck. Sie hat die Sensibilität, ihre Gefühle, Gedanken und Dinge in eine Form zu bringen. Alles flutet durch ihren Gedächtnisraum und wird in ihren Kunstwerken sichtbar. Sie ist unterwegs – und wir lassen uns weiter überraschen von ihren Arbeiten.
Das „Dankeschön“ unserer Preisträgerin
Dear Jutta
Thank you very much for a nice day saturday, and for your speech. I liked it.
I really appreaciate the prize, it means a lot to me, the money helps a bit in the daily life
but more so the kind support and interest is important to me.
As I said saturday, I really think this prize is very ‘sympatish’, that you in Zonta have collected this
money from individuals and made a prize out of it is really touching to me.
I think it will naturally make me think of you all, and your appreciation of art, through out the year as
your support helps me with the little things.
Thank you!
…and thank you also for the jurys reasons, it is nice to read and know what they/you discussed.
The flowers still lights up my room.
warmest wishes
Benedikte
zurück zur Übersicht Veranstaltungen